Dr. Gabriele Bieling ● Sehhilfe zur Ausstellung 2017 : "Monorisse zum 100. Geburtstag von Rika Unger"
Monoriss 1 von Rika Unger, Münster
Sehhilfe für die Betrachtung der Monorisse

Geschrieben von Dr. Gabriele Bieling

Rika Unger hat ihren Monorissen keine Titel, gegeben um dem Betrachter einen eigenen Zugang zu ermöglichen. Dennoch hat sie sozusagen vier Leitmotive formuliert, unter denen man die Graphiken betrachten kann:

  ●  "Lichtblick im Verhüllungsbereich"
    "Das Licht bricht sich Bahn"
    "Neue Horizonte brechen auf"
    "Vom Ich zum Du"

In diesen Titeln spiegelt sich zugleich die Grundtechnik der Monorisse. Ihre Grundstruktur ist gerissenes schwarzes Papier, an dem beim Reißen ein weißer Rand entsteht und dessen Teile miteinander verflochten sind. Das gerissene schwarze Papier ist Symbol für die Zerbrechlichkeit unserer Wirklichkeit, die Verflechtungen der gerissenen Streifen Symbol für die Vielschichtigkeit menschlichen Lebens.

Der weiße Anriss, der beim Zerreißen des schwarzen Papiers entsteht, war für Rika Unger Symbol einer neuen Sichtweise, die bei der Zerstörung alter und beim Aufbau neuer Strukturen entsteht. Der Monoriss hat seinen Ursprung in einem doppelten Vorgang: dem Zerreißen, der Zerstörung und dem neuen Verflechten und Aufbauen. Verwandlung ist das Grundthema des Werkes von Rika Unger, auch in ihren Skulpturen.

Zu den genannten Strukturelementen kommt ein weiteres Element, die Farbigkeit. In dem weißen Rand des Papiers findet sich sozusagen die erste Spur des Lichts, welches sich dann in vielen Monorissen im Weiß fortsetzt oder sich in Farbigkeit verwandelt.

  "Das Licht bricht sich Bahn."

Weißes Licht enthält alle Farben des Spektrums. Dies sind reine Farben. In den Monorissen spielt die Verhüllung der Farben (Mischung mit Grau) eine wichtige Rolle. Der Grauanteil einer Farbe erzeugt, wenn er variiert wird, eine Tiefenwirkung - "Lichtblick im Verhüllungsbereich", für Rika Unger ein Symbol dafür, dass die Wirklichkeit für eine andere Dimension gleichsam durchsichtig wird. Der Theologe Gerd Theißen hat dafür den Ausdruck "transparente Erfahrung" geprägt und meint damit Erfahrungen, in denen durch Worte oder Bilder eine Tiefe aufgedeckt sichtbar gemacht wird, die im Alltäglichen oft nicht wahrgenommen wird. Der Titel "Neue Horizonte brechen auf" spricht diese transparente Erfahrung in Bezug auf die Weite an, den Horizont, mit dem jeder Mensch lebt. Horizonterweiterung im existenziellen Sinn bringt Hoffnung.

Mit dem Titel "Vom Ich zum Du" (z. Zt. in der Galerie) knüpft Rika Unger an das Dialogprinzip von Martin Buber (1878-1965) an. Dieses Thema findet sich auch in ihren plastischen Werk. Die Hinwendung "Vom Ich zum Du" ist die Grundlage einer humanen Gesellschaft, in der Frieden und Gerechtigkeit verwirklicht sind.

In der Joseph-Kirche befindet sich auf der linken Seite ein Zyklus zur Passionsgeschichte. Hier hat Rika Unger Titel Genannt: "Hände des Pilatus", "Dornenkrone", "Karfreitag", "niedergefahren zur Hölle", "Karsamstag". Die sich daran anschließenden Monorisse symbolisieren die Verwandlung vom Tod zum Leben, die Auferstehung.

  

© 2017 Dr. Gabriele Bieling, Münster 

 

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