Das Lebenswerk ● Drucke | Holzschnitte | Lotse (1961)

Lotse (1961) Holzschnitt
Stärker als die Wogen

Darin liegt die Kraft dieses Bildes: Es "predigt" den Christus, stärker als die Wogen. Es lässt dem Betrachter nicht zu, der beängstigenden Situation im seeuntüchtigen Boot unter der todbringenden Woge den Vorrang zu geben. Christus ist der Beherrschende"

Wundern wird uns, dass so viel von unserer Kraft verloren geht, wenn wir doch immer wieder mit uns beginnen, mit der Diagnose der menschlichen Existenz, mit unseren Problemen? Das Bild predigt den Christus, stärker als die Wogen. Darin richtet es unsere sündhafte Denkgewohnheit und will uns befreien, mitten in den Problemen zuversichtlich zu leben.

Christus ist der Herr - bei uns im seeuntüchtigen Boot unter der drohenden Woge! Das ist keine fromme Täuschung oder Ablenkung von den Realitäten des Lebens. Es ist Wirklichkeit, die Gott in Jesus Christus in unserer Welt gewirkt hat und heute für uns wirksam macht:

Die Kreuzesform der Christusgestalt zeigt ihn als den Gekreuzigten - gegenwärtig in der Tiefe, vertraut mit allen Finsternissen bis hin zu dem Schrei: "Mein Gott - warum!?" Er kennt die Ängste und Ausweglosigkeiten, in den Gott unbegreiflich wird, so dass die Jünger azf sein "Ich bin's" nur vor Furcht schreien können.

Das Licht, das ihn umgibt, weist auf ihn als den Auferstandenen, der dem Tod die Macht genommen hat und der uns nun nicht untergehen lässt in unseren mannigfachen Nöten, sondern uns mitten darin sein Leben gibt. Drückt die Haltung des Jüngers nicht mehr noch als das Erschrecken das Überwundensein von dieser Lebenswirklichkeit Gottes mitten in der Welt des Todes aus?

Die ausgebreiteten Hände und der den Jüngern zugeneigte Kopf zeigen ihn als den Erhöhten, der nei uns ist alle Zage bis an der Welt Ende, der im Rachen der Angst bewahrt uns Raum zum Leben gibt,

Die Überlegenheit der Gestalt erweist den Mächtigen. Er schiebt die Finsternis beiseite wie einen Vorhang und macht hinter den Realitäten des Lebens die Wirklichkeit Gottes erfahrbar. Es ist keine feige, schwache Flucht vor der Wirklichkeit, sondern es ist jedes mal Wirkung seiner Macht, wenn wir aus dem Bann des Dunkels herausgerissen werden und in die Wirklichkeit Gottes zu fliehen vermögen - wenn wir glauben können. - Aber deutet die Überlegenheit der Gestalt nicht auch an, dass Christus die Finsternis endgültig überwinden und den Sturm stillen wird? Dieser Christus ist auch der Kommende, der uns die Zukunft eröffnet hat, auf den wir gespannt warten und hoffen dürfen; "Ja, komm, Herr Jesu!"

"Lotse" hat die Künstlerin diesen Holzschnitt genannt. Ein Lotse bringt ans Ziel. Das Bild zeigt kein Ziel im menschlichen Horizont - nach vorn und hinten sind nur Dunkel und Ausweglosigkeit. Der  einzige Ausweg ist oben - von oben ist das Licht in die Finsternis gekommen. Damit ist angedeutet: Das Ziel ist Gott selbst, der Vater, sein Reich, seine Freude: nicht unerreichbar fern, sondern mitten unter uns; und doch nicht verfügbar, sondern kommend. Ohne den "Lotsen" fänden wir's nicht!

Ich freue mich über die Predigt dieses Bildes für das neue Jahr. Wir haben es nötig, uns immer wieder "herauslotsen" zu lassen aus dem Bann unserer Dunkelheiten - hinein in Seine Freude und Zuversicht.

Text: Ruth Worch

  

  
Rika Unger: Holzschnitt "Lotse" (1961)

© Rika Unger Galerie Münster

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